Darüber streiten Italien und EU

  23 Oktober 2018    Gelesen: 508
Darüber streiten Italien und EU

Die EU-Kommission wirft Italien vor, mit seinem Haushalt für 2019 gegen Regeln der Gemeinschaft zu verstoßen. Doch was sagen diese Regeln überhaupt? Und auf welche pfeift die Regierung in Rom? Der Überblick.

Der Streit zwischen Italien und der EU-Kommission könnte sich in dieser Woche zuspitzen. Die Regierung in Rom hat am Montag auf einen sogenannten "blauen Brief" der Brüsseler Behörde geantwortet. Die Kommission ist mit dem Haushaltsentwurf der neuen italienischen Koalition nicht einverstanden. Doch die will daran festhalten.

Das Regelwerk, das diesem Streit zugrunde liegt, ist der Euro-Stabilitätspakt. Aber wie funktioniert der überhaupt? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was ist der Euro-Stabilitätspakt?

Im Maastricht-Vertrag von 1992, der die EU in ihrer heutigen Form festschrieb, einigten sich die europäischen Staats- und Regierungschefs auf gemeinsame Konvergenzkriterien. Diese setzen voraus, dass Länder, die den Euro als Währung einführen wollen, eine gewisse Haushaltsdisziplin einhalten, um die Stabilität der gemeinsamen Währung und das Wachstum in der Eurozone zu sichern. Die Konvergenzkriterien sehen Preisstabilität, stabile Wechselkurse, angemessen Zinssätze und ausgeglichene Staatsfinanzen vor.

Auf Drängen des damaligen deutschen Finanzministers Theo Waigel (CSU) sollten die Regelungen zu den Staatsfinanzen auch über den Euro-Beitritt hinaus gelten und wurden 1997 im Vertrag von Amsterdam im Stabilitäts- und Wachstumspaktfestgeschrieben. Konkret bedeutet dies, dass von den Euro-Mitgliedsstaaten eine Gesamtverschuldung von maximal 60 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt - BIP) und eine Neuverschuldung von maximal drei Prozent des BIP garantiert werden müssen. Andernfalls drohen Sanktionen.

Die Euro-Staaten müssen der Europäischen Kommission jährlich ihre aktuellen Stabilitätsprogramme vorlegen. Nähert sich ein Land mit seinem Defizit der Drei-Prozent-Marke, greift ein im Pakt vorgeschriebenes Frühwarnsystem: Die Kommission verschickt einen "blauen Brief" an den Mitgliedsstaat, in dem sie auch Empfehlungen ausspricht, wie der Haushalt angepasst werden könnte.

Übersteigt die Neuverschuldung dann tatsächlich drei Prozent, leitet die Kommission ein Defizitverfahren ein. Zunächst verfasst sie einen Bericht, in dem auch festgestellt wird, ob die Defizitüberschreitung besonderen Umständen geschuldet ist. Daraufhin entscheiden die EU-Finanz- und Wirtschaftsminister, welche Empfehlungen sie dem Land aussprechen. Dieses muss dann in einer bestimmten Frist sein Defizit beheben. Gelingt dies nicht, muss das Land laut der Regelung eine unverzinsliche Einlage bei der EU hinterlegen. Im äußersten Fall drohen Geldstrafen von 0,2 bis 0,5 Prozent des BIPs. Allerdings wurden solche Strafen bisher noch nie verhängt.

Deutschland war einer der ersten Sünder des Stabilitätspakts. 2003 leitete die EU ein Defizitverfahren gegen die Bundesrepublik ein, welches 2007 jedoch eingestellt wurde.

Wie hat sich der Stabilitätspakt verändert?

Der Stabilitätspakt wurde angesichts zunehmender Kritik mehrfach reformiert. Seit 2005 wird dabei stärker auf das sogenannte strukturelle Defizit geachtet, das um konjunkturbedingte Einflüsse und einmalige Effekte bereinigt ist. Die Eurostaaten sollen also in Zeiten schlechter Konjunktur mehr Geld ausgeben können und in guten Zeiten stärker sparen.

2011 wurden in einer weiteren Reform unter anderem die Sanktionen bei Nichtbeachtung des Defizits verschärft und der Pakt wurde um ein Verfahren ergänzt, dass gesamtwirtschaftliche Ungleichgewichte verhindern soll.

Anfang 2013 trat der Europäische Fiskalpakt in Kraft, der beim strukturellen Defizit noch etwas strengere Regeln vorsieht als der Euro-Stabilitätspakt. Zudem können Staaten, der Staatsverschuldung die 60-Prozent-Marke überschreitet, zum Abbau ihrer Verschuldung verpflichtet werden.

Warum bekommt Italien trotz einer geplanten Neuverschuldung von unter drei Prozent einen blauen Brief?

Zwar liegt das von der italienischen Regierung für 2019 veranschlagte Haushaltsdefizit mit 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts unter der im Maastricht-Vertrag vorgeschriebenen Defizitgrenze von drei Prozent. Ärger mit der EU-Kommission gibt es aber trotzdem.

Das liegt daran, dass die Vorgängerregierung sich vor wenigen Monaten zu einer Neuverschuldung von 0,8 Prozent verpflichtet hatte, um den Schuldenberg von rund 130 Prozent der Wirtschaftsleistung zumindest nicht weiter wachsen zu lassen. Italien ist nach Griechenland das am höchsten verschuldete Land der Währungsunion.

Um von diesen hohen Schulden runter zu kommen, müsste Italien eigentlich stärker sparen - so sieht es die EU-Kommission. Die Regierung in Rom sieht das anders. Auch beim strukturellen, also konjunkturbereinigten Defizit, weicht der italienische Haushaltsentwurf von den ursprünglichen Plänen ab.

Zudem spielen die sogenannten Primärausgaben bei der Bewertung des Haushalts eine Rolle, darunter versteht man die Staatsausgaben ohne die Aufwendungen für den Schuldendienst. Die italienischen Primärausgaben sollen laut Empfehlung der EU-Kommission im kommenden Jahr eigentlich nur um maximal 0,1 Prozent steigen. Der Haushaltsentwurf der Regierung in Rom sieht aber ein Wachstum um 2,7 Prozent vor.

spiegel


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